Letzte Aktualisierung dieser Seite am: 1.6.2009
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Mai 2006 |
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Dez. 2004 |
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Nov. 2003 |
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Okt. 2003 |
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Sep. 2000 |
Im
Juni besuchte uns Thekla Amen aus Ecuador zusammen mit Daniel
Dördelmann, dem Schatzmeister des Vereins „ökumenischer
Arbeitskreis Talita Kumi e.V. Erftstadt-Lechenich“. Der Verein in
Lechenich ist u.a. zuständig für die Verwaltung der Spendengelder
und die Öffentlichkeitsarbeit inDeutschland und hält enge
Verbindung nach Quito.
In einem sehr interessanten Vortrag berichtete sie über die schwierige Arbeit mit den Mädchen im Projekt Talita Kumi in Quito und die damit verbundenen Probleme aber auch Chancen. Da der Platz hier längst nicht ausreicht, um alles wiederzugeben, verweisen wir auf die ausführlichen Informationen an den Stellwänden unserer Kirchen und auf die Homepage des Vereins „Ökumenischer Arbeitskreis Talita Kumi e.V.“ in Erftstadt-Lechenich. (www.talitakumiev.de).
Hier nur eine kurze Zusammenfassung des Konzeptes in der „Talita“:
Die meisten Probleme der Mädchen entstehen in der Familie: häufig werden sie misshandelt und/oder sexuell missbraucht, werden verjagt oder „verschenkt“, sind schwanger oder schon Mutter, haben nicht einmal die sechs Jahre Grundschule absolviert, sind weggelaufen. Auch wenn die Mädchen oft gebracht werden (von Verwandten, Lehrern, Behörden) herrscht doch das Prinzip der Freiwilligkeit. Wer nicht bleiben will, kann jederzeit gehen. Im Haus Talita Kumi 1 wird zunächst die jeweilige Situation (familiär, gesundheitlich, schulisch, psychisch) geklärt und gemeinsam überlegt, welche Hilfe nötig und möglich ist. Zwei bis drei Monate bleiben die Mädchen im Haus 1. Wenn sie dann weder in ihre Familie zurück noch ein eigenständiges Leben führen können, wechseln sie in die Talita Kumi 2, wo sie zwei oder drei Jahre bleiben können. Dort wird der „Entwicklungsprozess“ weitergeführt, mit drei wesentlichen Elementen: Persönlichkeitsformung (Selbstwertgefühl, Vermittlung von Werten, Verantwortungsbewusstsein, …); schulische Erziehung; praktische Grundausbildung (Kochen, Nähen, Stricken, Töpfern, Gemüseanbau etc.).
Ein großes Problem, vor allem auch für die zukünftige Arbeit, ist das Alter der Mädchen. Bisher waren diese meist 15 und älter, eine Zwölfjährige aber die Ausnahme und beinahe „fehl am Platz“. In der letzten Zeit jedoch sind es zunehmend Zwölf- bis Vierzehnjährige, die Hilfe suchen. Häufig genug sind sie obendrein schwanger. Dies ist für die Mädchen nicht nur eine große körperliche Belastung und führt oft zu bleibenden Gesundheitsschäden. Dazu kommt die Frage: Wie soll eine „Mutter“, die eigentlich selbst noch Kind ist und selber nie Liebe erfahren hat, ein Kind großziehen? Auch die bislang übliche Verweildauer im Haus 2 wird durch diese Verlagerung der Probleme „nach unten“ kritisch. Denn selbst nach drei Jahren Aufenthalt ist eine Fünfzehnjährige noch nicht unbedingt reif genug bzw. in der Lage, völlig selbständig und unabhängig zu (über)leben. Hier stellt sich für alle Beteiligten in den kommenden Jahren eine große Herausforderung.
Anfang Mai erhielten wir nachfolgendes ‘Danke schön’ und neue Informationen aus Quito von Thekla Amen:
Quito, den 1.5.2006
Liebe Freunde in Herrenberg,
aus
Quito sende ich Ihnen im Namen des Projektes Talita Kumi viele Grüße.
Gleichzeitig möchten wir Ihnen ganz herzlich danken, dass Sie uns im
Dezember 2005 mit dem großartigen Betrag von
7.389,07 €uros
beschenkt haben. Wir haben diese gute Nachricht mit Freude und
Bewegung der Spendenliste entnommen. Was täten wir nur ohne unsere
guten Freunde in Deutschland, die sich mitverantwortlich fühlen für
das Wohl der uns anvertrauten Madchen und Kinder.
Wir wissen, dass auch in Deutschland „das Geld nicht an den Bäumen wächst", dass unsere Freunde, die uns in der Arbeit mit den Jugendlichen unterstützen, viel Phantasie, Zeit und Kraft aufwenden, um damit an das Geld zu kommen, das ein Projekt wie die Talita Kumi erst ermöglicht. Dass guter Wille einer Gruppe von Menschen - und das an vielen Orten - so viel bewirken kann, das erstaunt mich immer wieder, obwohl wir hier, dank Ihnen und anderen Gruppen, diese Erfahrung nun ja schon viele Jahre hindurch machen dürfen.
Nun haben Sie, abgesehen von dem Weihnachtsrundbrief, schon längere Zeit nichts aus Ecuador gehört. Inzwischen hat sich hier einiges getan.... aber eben nicht all das, was wir erwartet haben. Ich glaube, die größte Tugend, die man hier in Ecuador aufbringen muss, ist die Geduld, das Warten-können.
Schon im Weihnachtsbrief habe ich Ihnen vom Entstehen der Fundación (Stiftung) berichtet. Gutwillig und engagiert kommen alle Mitglieder regelmäßig zusammen, um bei den Treffen über die Fortschritte, die vorzunehmenden Maßnahmen und auch die Probleme des Projekts zu sprechen und zu beraten. Verschiedene Kommissionen sind für verschiedene Aufgaben zuständig, und alle bringen immer wieder unentgeltlich ihre Zeit und ihre jeweiligen Fähigkeiten ein. . - Doch das größte Problem liegt außerhalb unseres „Machtbereiches": Diese unumgängliche und mächtig aufgeblasene Bürokratie! Das Sozialministerium, dem die Anerkennung unserer Statuten obliegt, lässt sich Zeit...: Minister werden ausgewechselt, mit ihnen die verantwortlichen Abteilungsleiter und sogar die unteren Chargen, sodass immer wieder neue Sachbearbeiter zuständig sind und damit die Kontinuität auf der Strecke bleibt. Da zeigt sich dann eines der Merkmale der sogenannten Dritten Welt.
Aber diese Anerkennung und Genehmigung durch das Sozialministerium ist die Voraussetzung nicht nur für die Erlaubnis zur Arbeit mit den Jugendlichen, sondern auch für den Erhalt einer „Steuernummer" (und damit bestimmten Ermäßigungen), für die Erlaubnis zum Abschluss von Arbeitsverträgen, für die Eröffnung eines Bankkontos auf den Namen der Stiftung. Wir hoffen, dass diese Wartezeit bald ein Ende hat!
Doch etwas Erfreuliches können wir Ihnen mitteilen: Im August wird die „Bethlehem-Mission- Immensee" aus der Schweiz ein Heimleiter-Ehepaar (mit 2 Kindern) schicken, das mit seinen Fachkenntnissen uns helfen soll, das Erziehungs-Konzept der Talita, vor allem des neuen Hauses, zu erweitern und zu vertiefen.
Halleluja! Vor 2 Tagen ist eine sehr gute, vor allem beruhigende Nachricht gekommen! Die Papiere für das Visum der Familie sind unterzeichnet worden. Wegen der noch ausstehenden Anerkennung durch das Ministerium mussten wir nach einem Umweg suchen! Nach langem Bangen haben wir diesen wichtigen Schritt nun geschafft. Jetzt können Michael und Elisabeth mit Simon und Johanna kommen! So ist das oft in Ecuador: Man will schon verzweifeln, weil alles nicht klappt oder irgendetwas unendlich verzögert wird; und dann löst sich der Knoten doch auf einmal, wenn man es gar nicht mehr zu hoffen wagt!
Eine der wichtigen momentanen Aufgaben ist, den Ausbau der TK II voranzutreiben. Im oberen Stockwerk müssen noch die Decken eingehängt werden; es fehlen noch sämtliche Türen, der Anstrich und die Sanitäranlagen. - Auch die Wohnung im oberen Stockwerk für die junge Familie muss bis August noch fertiggestellt und eingerichtet werden. Gottlob haben wir einige gebrauchte Möbel schon geschenkt bekommen oder sehr preisgünstig kaufen können. - Bislang hatten auch die bereits bewohnten Schlafzimmer noch keine Schränke, und die Mädchen mussten inmitten von Kisten und Kästen leben. Vor kurzem hat uns die Deutsche Botschaft das Geld für diese Schränke und Möbel unter und über den Waschbecken gestiftet. Ende Mai sollen die Schränke eingebaut werden. Hoffentlich schafft es der beauftragte Schreiner bis dahin; es gibt noch so unendlich viel zu tun! Und wir leben in Ecaudor!!!!
Nun habe ich nur von der Fundación und nicht von dem eigentlichen Dienst an den uns anvertrauten Jugendlichen gesprochen. Aber es ist ja gerade die Aufgabe der Stiftung: den Rahmen zu schaffen und zu sichern, in dem das Erzieherinnen-Team mit den Mädchen arbeiten kann. Das große neue Haus ist eine Herausforderung! Manche Verantwortlichkeiten müssen umverteilt werden, und das ist nicht immer einfach!
Hoffen wir, dass unsere Bemühungen zu einem guten Ziele führen! Hoffen wir, dass wir mit dem Segen Gottes und der Hilfe so vieler gutwilliger Menschen dort in Deutschland und hier in Ecuador unserer Aufgabe immer mehr gerecht werden, die Mädchen und Kinder der Talita Kumi auf ihrem Weg in eine bessere Zukunft zu begleiten!
In aufrichtiger Dankbarkeit und mit unseren guten Wünschen für Sie alle grüße ich Sie im Namen der großen „Talita-Familie",
Dem ‘Danke schön’ (oben) lag beispielhaft die Beschreibung des Schicksals eines der Mächen bei, die heute in der Talita II wohnen:
Lebensgeschichte eines Mädchens der TALITA KUMI II - ROSARIO
(Name geändert)
Im Alter von 15 Jahren wurde Rosario am 3. September 2003 von ihrer Tante Iralda in die Herberge Talita Kumi I gebracht. Letztere bat dringend um Hilfe, da die Jugendliche keinen Platz zum Leben hätte.
Seit
der Geburt lebte Rosario bei ihrer Großmutter, da die Mutter der
Prostitution nachging und außerdem Alkoholikerin war. Angeblich war
sie auf die falsche Bahn geraten, weil sie von ihrer Mutter
abgewiesen wurde, da sie unehelich geboren war. Gerüchten zufolge,
die von der Tante Iralda den Erzieherinnen der Talita Kumi zugetragen
wurden, starb Rosarios Mutter bei einem Streit zwischen Obdachlosen:
sie wurde auf dem Markt von Ambato angesteckt und verbrannt.
Das Unglück der Mutter setzte sich im Leben des kleinen Mädchens fort: Als Rosario drei Jahre alt war, starb die Großmutter, und ihre Tanten brachten sie in einInternat der Adventisten bei Ambato, wo sie bis zu ihrem 4. Schuljahr blieb. Danach lebte sie bei ihrer Tante Julia. Da Tante und Nichte nicht gut miteinander auskamen, wurde Rosario wieder in ein Heim abgeschoben; dieses Mal brachte man sie in den Süden des Landes nach Cuenca. Dort blieb sie, bis sie die Grundschule (6 Schuljahre) abgeschlossen hatte. Und wieder kehrte sie nach Ambato zurück, um von nun an bei ihrer Tante Iralda zu leben. Diese ließ sie das erste Oberschuljahr absolvieren, und in dieser Schule fand Rosario zum ersten Mal eine Person, eine Ordensschwester, die sich eingehender um das Mädchen kümmerte. Rosario blieb nachmittags in der Schule; die Schwester half ihr bei den Hausaufgaben und sorgte dafür, dass sie zu essen bekam. Doch bald gewöhnte Rosario sich an auszureißen und auf der Straße zu streunen.
Die Tante Iralda erklärte bei Rosarios Eintritt in die Talita Kumi, sie könne sich nicht weiter um ihre Nichte kümmern, da sie sonst große Probleme mit ihrem Mann und ihren Söhnen bekäme, weil diese nicht akzeptieren könnten, dass Rosario so oft - ohne einleuchtende Gründe - von zuhause wegliefe. Die Tante litt unter Rosarios Depressionsschüben und brachte das Mädchen zu einer Psychologin, die aber keine nennenswerten Störungen außerhalb eines „Normalbereiches" feststellte; vielmehr fehle Rosario Zuwendung und vor allem die bedingungslose Zuneigung der Mutter und - infolge des ständigen Wechsels von einem Heim zum anderen - ein sicheres Zuhause. Dieses aber konnten und wollten beide Tanten ihr aus emotionalen und auch aus ökonomischen Gründen nicht geben. So bat Rosario aus eigenem Entschluss um Aufnahme in die Talita Kumi.
Die Heranwachsende hatte es schwer, sich in das Leben der Herberge einzufügen, die Regeln des Hauses zu respektieren und mit den anderen Mädchen auszukommen. Anfänglich nahm sie weder an den gemeinsamen Arbeiten noch an den Freizeit-Aktivitäten teil und wurde entsprechend von den Gleichaltrigen zurückgewiesen. Mit der Zeit und dank der ausdauernden Geduld der Erzieherinnen und Kameradinnen konnte Rosario allmählich eine gewisse emotionale und psychische Stabilität erlangen, wenngleich bei seelischen Belastungen öfter noch Depressionen auftraten.
Inzwischen lebt Rosario in der Herberge TALITA KUMI II und besucht von dort aus eine weiterführende Schule in Tumbaco, die neben den allgemeinbildenden Fächern auch eine gewisse Berufsausbildung bietet. Zwei Jahre fehlen ihr noch bis zum Abschluss dieser Ausbildung. Die Gruppe der Mädchen dieses Hauses gibt ihr mehr emotionale Sicherheit, als sie je in ihrem Leben erhalten hat. Rosario fühlt sich wohl unter ihnen, ist offener im Umgang mit den anderen und wird entsprechend von den Kameradinnen angenommen.
Im August 2005 konnte Rosario gemeinsam mit Erzieherinnen der Talita Kumi ihre Tanten in Ambato besuchen. Bei der Gelegenheit hat sie nach acht Jahren ihren zwei Jahre älteren Bruder wiedergesehen, der bis dahin ein ähnlich ruheloses Leben wie sie selbst geführt und vor einigen Monaten bei einer Verwandten Aufnahme und Arbeit gefunden hatte, die ihm die Chance zu einem Neubeginn geben.
Dieses Wiedersehen war ein Höhepunkt in Rosarios Leben. Begeistert erzählte sie davon und zeigte ein Foto dieser Begegnung. Und zugleich freute sie sich darüber, dass sie ein Bild ihrer Mutter gesehen habe.
Rosario wird noch einige Zeit liebevoller Betreuung und Zuwendung brauchen, bis sie so gefestigt ist, dass sie ein eigenständiges Leben führen kann. Die Gemeinschaft der Talita Kumi II und die Beständigkeit der Berufsausbildung werden dazu beitragen, dass sie auch bei Schwierigkeiten des Lebens nicht in bodenlose Depressionen versinkt und dass sie hoffnungsvoll auf eine bessere Zukunft vertrauen kann.
(Zusammenstellung des Berichts: Thekla Amen, Quito, September 2005)
Mit den Porträts einiger Bewohnerinnen des Mädchenheims Talita Kumi in Quito/Ecuador, die bei einem Besuch im letzten Januar entstanden, hat der Ausschuss Weltkirche einen Fotokalender gestaltet. 160 Exemplare davon wurden verkauft. Zusammen mit einigen Spenden konnte ein Reinerlös von 879 € für Talita Kumi erzielt werden. Allen, die in irgendeiner Form zu diesem Ergebnis beigetragen haben, sei ganz herzlich DANKE gesagt.
Kurz vor Weihnachten erreichte uns von Thekla Amen der nachfolgende Weihnachtsgruss mit vielen Informationen zur aktuellen Situation in der Talita:
FROHE WEIHNACHTEN UND EIN GUTES NEUES JAHR Quito, im Dezember 2004
Liebe Freunde,
Das Jahr 2004 geht mit Riesenschritten seinem Ende entgegen. Der erste Adventssonntag ist bereits vergangen, die Vorbereitungen auf Weihnachten laufen allerorten auf vollen Touren, und wir alle können uns nur wünschen, dabei das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren.
Vielleicht warten Sie schon auf unseren alljährlichen Weihnachtsgruss, der in diesem Jahr ziemlich spät kommt. Das hat seine Gründe: Ein hartes Jahr mit sehr viel Arbeit, mit Sorgen, Ängsten und Mühen, aber auch mit Freuden und Erfolgen liegt hinter uns. Viele von Ihnen haben seit längerer Zeit nichts mehr über unsere Arbeit vernommen, und deshalb wollen wir in diesem letzten Brief des Jahres 2004 Zu-kurz-Gekommenes geraderücken und Sie an unserem Leben hier teilnehmen lassen.
Ein grosses „Erfolgserlebnis" können wir verzeichnen: Der Bau der Herberge TALITA KUMI II ist zwar bei weitem noch nicht abgeschlossen, aber der erste Bauabschnitt ist vollendet, und die folgenden Arbeiten sind so weit fortgeschritten, dass nun tatsächlich seit Anfang Oktober die ersten Mädchen und Kinder von der Talita Kumi I in das neue Haus umgezogen sind. Zwar leben sie noch recht provisorisch dort, aber das Improvisieren sind wir hier in Ecuador ja alle gewöhnt. Acht Mädchen und fünf Kinder sind es, die bisher - nach und nach, um die Schwierigkeiten nicht anzuhäufen - in der Talita Kumi II in Tumbaco, einem Vorort von Quito, Fussgefasst haben: Lorena L. mit Melany, Mariela mit Joselin und Irena, Aracely mit Ximena, Rebeca, Gabriela mit Maria de los Angeles, Mercy und Lorena C. In der nächsten Woche werden auch Marisol und Denise in das neue Haus umziehen.
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben"
Dieses Zitat aus einem Gedicht von Hermann Hesse bestätigt sich wieder einmal; es ist tatsächlich so: Der Beginn des Zusammenlebens in neuer Form und an neuem Ort befähigt die Mädchen und Kinder zu selbständig und freiwillig übernommenen Verantwortlichkeiten, die uns, die wir diesen neuen Anfang begleiten, staunen lassen. Der „Charme des Neubeginns" beschützt sie, nimmt ihnen das anfängliche Bangen und gibt ihnen den Mut zu neuen Wegen.
Diese Talita Kumi II soll ja ein weiterer Meilenstein auf dem Weg der Selbständigkeit dieser Mädchen und jungen Erwachsenen sein, und so sollen und wollen sie selbst, so weit es möglich ist, ihr Leben in die Hand nehmen. Die Erzieherinnen begleiten sie, - eher von fern - stehen aber mit Rat und Tat zur Seite, wenn es nötig ist.
Die Mädchen selbst empfanden die Notwendigkeit, ihr Zusammenleben zu organisieren, sie selbst haben ihren Stundenplan für den Tagesablauf aufgestellt, und der fordert ihnen einiges ab; aber sie wissen auch, dass sie sich außerhalb der Talita ebenso anstrengen müssten, um sich und ihre Kinder vorwärts zu bringen. Die Stundeneinteilung, die auch im Haus strikt eingehalten wird, soll den Mädchen helfen, sich an einen festen Zeitplan zu gewöhnen, den sie im Arbeitsleben außerhalb der Talita auch beachten müssten.
Die meisten der Mädchen gehen zur Schule oder Ausbildung; einige der Mütter bringen zunächst ihre Kinder in den Kindergarten der Pfarrgemeinde Tumbaco, und während des Vormittags nehmen sie im Haus an Kursen oder Workshops teil, die übrigens auch für die Schülerinnen jeden Nachmittag für 1,5 Stunden verpflichtend sind. Im Augenblick werden Seilpuppen für einen Auftrag hergestellt.
Die Gruppe hat sich selbst Hausregeln gegeben, die das Zusammenleben erleichtern sollen. Gemeinsam wurden die Regeln erarbeitet; jedes Mädchen hat zwei dieser „Normen" beigesteuert. Da heißt es z.B. : Die Kinder respektieren! - Wasser und Licht dürfen nicht verschwendet werden! - Die Schlafzimmer müssen immer sauber sein! - Die Lebensmittel nicht verkommen lassen! - Das Eigentum der anderen achten! - usw.
Und ganz wichtig ist den Mädchen das Leitmotiv, das sie ihrem gemeinsamen Leben gegeben haben und das sie anspornen soll: Dieses Haus soll ein ansprechender und fröhlicher Ort sein, an dem wir alle, Mütter, Jugendliche und Kinder, in unserer Persönlichkeit wachsen und glücklich sein können.
Während jeden Tag eine andere für die Küche verantwortlich ist, wechseln verschiedene Aufgaben wochenweise. Zwei Mädchen stellen den Essensplan für die Woche auf, eine übernimmt die „Caja Chica" - die „kleine Kasse" mit Einkäufen und einfacher Buchführung. Und dann gibt es auch noch die „Chismosa" - die „Gerüchteküche”, ein Heft, in das, ebenfalls wochenweise wechselnd, alle Vorkommnisse des Tages eingetragen werden. Anhand dieser Eintragungen findet jede Woche mit der Erzieherin Maria ein Gespräch und eine Auswertung aller Aktivitäten statt. Möglicherweise wird sich im Laufe der Zeit einiges ändern, aber zunächst einmal müssen wir anerkennen, dass die Mädchen sich gemeinsam auf Wegsuche begeben haben, den Versuch gewagt haben, Verantwortung in der Gruppe zu tragen.
In Ecuador ist es üblich, in Gemeinden und Städten, Schulen und Vereinen jedes Jahr eine „Reina" (= „Königin") zu wählen. Hier in Tumbaco wurden in der Schule für Hotelhilfe aus den verschiedenen Klassen Paola und Lorena C. unter vielen anderen als Kandidatinnen für diese Wahl aufgestellt. Und tatsächlich hat Lorena gewonnen und ist nun für ein Jahr die „Reina" ihrer Schule. Das mag uns Europäern, die wir diesen Brauch nicht kennen, unwichtig erscheinen. Aber in der Talita hat das Ergebnis grossen Jubel ausgelöst: Ein Mädchen, das bislang einen schweren Lebensweg hinter sich hat, das nicht in einer normalen Familie, sondern in einer sozialen Einrichtung lebt, wird anerkannt als „Gleiche unter Gleichen".
Vorgestern habe ich Lorena auf der Strasse getroffen. Sie kam, zusammen mit einer Klassenkameradin, aus der Schule. Sie wirkte so gelöst, so sehr zu ihrem Umfeld gehörig, so „normal", so, wie eben alle Mädchen ihres Alters von der Schule heimgehen. Da stieg in mir die gleiche Freude auf. Und ich denke auch an die anderen Mädchen in der Talita Kumi II: Aracely kann nach all ihren bitteren Erfahrungen ihren Traum verwirklichen und zur Schule gehen, während ihre kleine Tochter wohl versorgt ist; Mercy, dieses ehemals trostlose kleine Wesen, muss als Klassenbeste ab Dezember nur noch die Hälfte des (glücklicherweise nicht so hohen) Schulgeldes bezahlen; Rebeca, die von einer Institution zur anderen weitergereicht wurde, kann sich endlich wohl-fühlen in ihrer neuen „Familie".... Sie alle dürfen endlich leben, wie es ihrem Alter und auch ihrer Menschenwürde entspricht. Sie können sich weiter entwickeln, weil sie dem Anruf „Talita Kumi" - „Mädchen, steh auf!" gefolgt sind und nun voll Vertrauen in die Zukunft blicken. Und nicht weniger wichtig und beglückend ist, dass ihre Kinder, Maria und Melany und Joselin und Irena und Ximena und alle, die noch folgen werden, endlich die Unglückskette durchreissen, dass sie sicher und fröhlich und altersgemäss in der liebevollen Obhut ihrer Talita-Familie aufwachsen können. Hoffen wir für unsere Mädchen, dass sie auch später, wenn sie die Talita Kumi II verlassen, imstande sind, auf dem guten Weg fortzuschreiten, den sie heute eingeschlagen haben!
Auf dem obigen Foto wünschen Ihnen die Mädchen der Talita Kumi II, stellvertretend für alle im Gesamtprojekt,
„FELIZ NAVIDAD" - „FROHE WEIHNACHTEN"
Wir können sicher sein, dass die Mädchen und Kinder der Talita Kumi zur Krippe geladen sind. Es waren ja auch damals in Bethlehem nicht die Mächtigen dieser Welt, sondern die Hirten, die Machtlosen, die Verachteten, die Marginalisierten jener Zeit, denen als den Ersten der Weg gezeigt wurde, weil sie ihn finden wollten.
Wir alle im Projekt Talita Kumi danken Ihnen, dass Sie durch Ihre Unterstützung unsere Arbeit möglich machen, dass wir uns von Ihrer Treue, Ihrer wohltuenden Mitsorge und ihren Gebeten getragen fühlen dürfen. Und so wünschen wir Ihnen dankbaren Herzens ein gesegnetes und frohes Weihnachtsfest und ein friedvolles, glückliches, gesundesneues Jahr 2005.
Mit herzlichen Grüssen im Namen Madre lsabels, Padre Pacos, der Erzieherinnen, aller Mädchen und Kinder,
Thekla Amen, unsere Kontaktfrau in Ecuador, ist zur Zeit auf „Heimaturlaub“ in Deutschland. Am Freitag, den 5. November hat sie unsere Gemeinde in Herrenberg besucht. Interessierte waren zur Begegnung ins Rupert-Mayer-Haus eingeladen. Etwa 25 Besucher/innen folgten konzentriert den Worten von Frau Amen, die - unterstützt von einer animierten Computerpräsentation - über das Konzept von Talita Kumi sprach, von den schweren Schicksalen einzelner Mädchen erzählte und natürlich über den aktuellen Stand der Talita Kumi II berichtete (die ersten Bewohnerinnen sind bereits eingezogen).
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Ein kleiner Imbiss bot anschließend Gelegenheit zum persönlichen Gespräch und zur individuellen Betrachtung mitgebrachten Bildmaterials an mehreren Stellwänden.
Im Januar 2004 besuchten Klaus Holzäpfel und Ute Reus das Mädchenheim “Talita Kumi” in Quito. Lesen Sie Ihre Eindrücke von der Reise.
Im November erreichte uns ein Rundbrief, in dem von den derzeitigen Baufortschritten berichtet wird. Darin heißt es:
"Die 1. Bauetappe (Fundamente etc.) geht dem Ende entgegen. Für die 2. Bauetappe wird augenblicklich der Stahlbau aufgestellt. Danach können das Dach gedeckt und die Solaranlage für Warmwasser und der Wassernotbehälter installiert werden. Nach Fertigstellung dieser Arbeiten kann die erste Gruppe von 24 Mädchen in das Haus einziehen. Die Kosten dafür betragen noch ca. 55.000 US$. Wir glauben, dass jede Anstrengung lohnt, dieses Geld aufzubringen."
Wie notwendig dieses zweite Haus ist zeigen einmal mehr die Zahlen, die uns Frau Amen in einem Brief mitteilte. Demnach lebten im "alten" Haus, das eigentlich 11 Plätze hat, im August 16 Mädchen im Alter zwischen 13 und 19 Jahren mit insgesamt 8 Kleinkindern (zwischen 2 Wochen und 3 Jahren alt). Die Unterstützungsarbeit für Talita Kumi in Deutschland soll in Zukunft neu strukturiert werden. Dazu wird im Januar in Erftstadt-Lechenich, wo schon bisher ein ökumenischer Arbeitskreis die Hauptförderarbeit leistet, ein gemeinnütziger Verein gegründet. Dies wird organisatorische und rechtliche Vorteile haben. Auch in Ecuador sind strukturelle Veränderungen geplant. Unter der Leitung des Bischofs von Quito soll eine neu gegründete Stiftung das Haus 2 übernehmen, während Haus 1 vorläufig weiterhin von Madre Isabel und den heutigen Erzieherinnen in bewährter Weise betrieben wird. Längerfristig ist dann eine (organisatorische) Vereinigung der beiden Häuser geplant. Den ausführlichen Rundbrief zu diesen Plänen können Sie an den Stellwänden in den Kirchen nachlesen. Nach dem Besuch von Ute Reus im Januar in Ecuador werden wir im Februar "aus erster Hand" von der tatsächlichen Situation berichten können.
Seit
rund 25 Jahren lebt Thekla Amen mit ihrer Familie in Ecuador. Sie ist
bekannt als Kontaktperson für das Mädchenheim "Talita Kumi"
in der Hauptstadt Quito, das unsere Gemeinde unterstützt. 1999 und
2002 besuchte sie uns in Herrenberg und berichtete von ihrer
Arbeit.
Für Ihre Verdienste um die Förderung des Projektes
"Talita Kumi" wurde ihr am 16. Oktober 2003 das
Bundesverdienstkreuz verliehen und durch den deutschen Botschafter in
Quito überreicht.
Wir freuen uns sehr und gratulieren zu dieser besonderen Auszeichnung.
Bereits seit Jahren unterstützt unsere Gemeinde das Mädchenheim Talita Kumi in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito. Die soziale, wirtschaftliche und politische Situation des Landes war schon immer schwierig, doch in den letzten zwei Jahren hat sie sich dramatisch zugespitzt.
Vor einigen Wochen erreichte uns ein Bericht über "Die ersten 6 Monate des Jahres 2000 in Ecuador", verfasst von Padre Paco, dem "geistigen Beistand" der Talita. Der ausführliche Bericht hängt in den drei Kirchen an den Stellwänden aus. Nachfolgend nur einige "Schlaglichter" daraus.
Am 11. Januar wurde der Dollar zur offiziellen Landeswährung erklärt (bisher Sucre). Diese "Währungsreform" bedeutete, daß Einkommen oder Guthaben plötzlich nur noch rund ein Viertel ihres bisherigen Wertes hatten!
Bereits im März 1999 wurden Guthaben bei den Banken "eingefroren", d.h. sie durften nicht abgehoben werden. Aufgrund eines völligen Zusammenbruchs des Finanzsystems in den letzten Monaten (u.a. verursacht durch Betrug) sind diese inzwischen ganz verloren. Dies betrifft auch viele kirchliche Projekte. Inzwischen setzt sich die ecuadorianische Bischofskonferenz dafür ein, wenigstens einen Bruchteil der verlorenen Gelder zurückzubekommen.
Am 21. und 22. Januar gab es einen Staatsstreich und zwei nachfolgende Putsche, so daß innerhalb von 24 Stunden 4 verschiedene "Regierungen" an der Macht waren. Die politische Lage ist noch immer unklar, soziale Unruhen sind an der Tagesordnung.
Von Juni 99 bis Juni 2000 betrug die laufende Abwertung 167%, die Inflation 103,7%. Die ganze Situation hat zu einer riesigen Auswanderungswelle geführt, neben dem traditionellen Ziel USA vermehrt auch nach Europa, v.a. Italien und Spanien. Dadurch gibt es inzwischen viele unvollständige Familien.
Auch die Talita ist von den Problemen schwer getroffen. Sie hat einige ihrer Ersparnisse verloren, die v.a. für den Bau eines zweiten Hauses vorgesehen waren. Zum Glück konnten sie rechtzeitig nach Deutschland melden, dass keine weiteren Spenden überwiesen werden sollen. Inzwischen ist es aber über die Auslandsfiliale einer großen deutschen Bank wieder möglich, Geld nach Ecuador zu schicken, was in der Talita natürlich auch dringend benötigt wird.
Zwei der Erzieherinnen sind zwischenzeitlich nach Italien ausgewandert, und drei andere haben im ersten Halbjahr 2000 Kinder bekommen (mit jeweils 3 Monaten Mutterschutz), so daß auch die Arbeit im Team äußerst schwierig war bzw. noch ist. Auffällig war in den letzten Monaten bei den Mädchen, die in die Talita kamen, die große Zahl von jungen Müttern. (Zeitweise waren 18 Mädchen mit 7 Babies im Haus - das eigentlich über 14 Plätze verfügt!) Ebenso war eine große Zunahme von physischen Misshandlungen festzustellen. Die schier ausweglose Situation der Menschen im Land äußert sich eben auch in Gewalt auf allen Ebenen.
Trotz aller Schwierigkeiten konnte die Arbeit in der Talita die ganze Zeit fortgeführt werden - ein Hoffnungsschimmer.